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Tafel-Freuden in Friedrichshain oder: Was Schokokuchen und unsere Immobilien gemeinsam haben
Publiziert 18.01.2013 00:39 | Kommentare: 0 | zuletzt bearbeitet 19.01.2013 09:18
Schokokuchen ist der größte gemeinsame Nenner der Geschmäcker, die Schnittmenge der Gaumenfreuden. Denn (fast) jeder mag Schokokuchen. Deshalb ist auch Berlin voll von Schokokuchen. Hausgemacht nach Großmutters Rezept, als mehlfreie neapolitanische Spielart, marillenmarmelade-gefüllte Sachertorte oder fluffige Brownies: Alle Varianten sind im Angebot, so wie es überhaupt mittlerweile in Berlin in puncto Essen & Trinken nichts gibt, was es nicht gibt, und sich die kulinarische Wüste seit Wendezeiten tatsächlich in blühende Landschaften verwandelt hat. Was die Wahl für den Berlin-Besucher auch mal zur Qual werden lässt.
Soll man Sterne goutieren bei Tim Raue oder in Kolja Kleebergs „Vau“? Soll man Polit-Prominenz gucken gehen im Borchardt oder weltläufiges Promi-Völkchen im Grill Royale? Oder lieber einem Starfriseur samt Entourage beim Hofhalten zusehen, in der legendären Currybude Ku’damm 195, bei Currywurst mit Schampus?
Kann man alles machen. Man kann aber auch völlig entspannt nach dem Außen-Besicht der eigenen zukünftigen Immobilie mitten im Friedrichshainer Kiez in ein kleines unprätentiöses Lokal gehen, Mix’n-Match-Heimat-Welt-Küche probieren, meist ordentlich bis gut, und dabei mehr oder weniger kreative, junge Leute gucken. Kommende Prominenz oder auch nicht. Garantiert aber mit Unterhaltungswert.
Letzterer fängt schon beim Tafel-Lesen an. Kein Tafeln nämlich ohne Tafel, denn Tafeln, handschriftlich mit Kreide beschrieben, sind ein Berliner und so auch ein Friedrichshainer Muss. Daran hält sich in trauter Einigkeit die komplette Kiez-Gastronomie, selbst der Inder und der türkische Döner-Betreiber, und überhaupt jeder, der mit Ess- und Trinkbarem außerhalb der Supermärkte sein Brot verdient.
Und so hängt man das schwarze Brett entweder an die Außenwand oder stellt es auf Stelzen vor oder in seinen Laden. Die Tafeln sind ein Schau-Genuss für sich, oft originell, hübsch beschriftet, fein säuberlich meistens und in Schönschrift. Eine kleine Foto-Auswahl in der Bildergalerie mag Ihnen Lust auf Friedrichshainer Tafel-Freuden machen.
Unsere Fonds-Immobilien sind ein bisschen wie Schokokuchen. (Fast) jeder mag sie. Wir, die Gesellschafter, mit großer Mehrheit, die stetig größer wird. Unsere Mieter auch, denn es ist fast immer „full house“. Und Investoren haben sich die Lippen danach geleckt, durften sich dann aber doch nicht unsere Schoko-Stücke einverleiben, sondern mussten sich nach anderen Schokokuchen umschauen.
Das Grund-Rezept war von Anfang an da: Immobilien, noch unsaniert, in Berliner Kernlagen. Nach Fonds-Auflegung wurde fleißig gebacken, sprich saniert, dann musste der Kuchen vorm Verzehr noch einige Jahre abkühlen, also in den Fonds verwaltet werden. Der genussfertige Immobilien-Kuchen ist ausgesprochen appetitlich: solide sanierte Mehrfamilienhäuser in begehrten Hotspot-Lagen Berlins.
Fehlt nur noch das Verteilen des Kuchens. Die Aufteilungs-Tafeln werden gerade beschrieben, größtenteils vom versierten „Immobilien-Konditor“ Magna, der das ganz hervorragend macht, in Schönschrift sozusagen, aufwändig und detailliert. In einer offenen Profi-Küche, denn wir dürfen dabei zusehen, wie die Experten Schritt für Schritt das Aufteilungswerk kreieren. Das macht schon jetzt Lust auf den späteren Genuss. Wir, die Gesellschafter, müssen die Tafeln allerdings lesen – das heißt, Mitwirkung ist gefragt. Damit jeder am Ende sein persönliches Schokokuchen-Stück des Berliner Immobilienmarktes goutieren kann.
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Hinterhof-Idyllen
Publiziert 30.10.2012 15:01 | Kommentare: 0
Pittoresk, malerisch, romantisch, verträumt, lauschig, bukolisch: Wie auch immer man sie etikettieren mag – Flair haben sie allemal, die Hinterhöfe bzw. Innenhöfe unserer meist im Quarree angeordneten Immobilien. Das vielstrapazierte Wort „Hinterhof-Idylle“ passt hier trefflich. Allerdings nicht im Sinne von abgerissenem Schmuddelkinder-Charme.
Unsere Hinterhöfe sind eher hübsch aufgerüscht, sozusagen grüne Lounges, Wohlfühl-Oasen im Großstadtdschungel. Manche haben ein bisschen Vintage-Flair vergangener Tage, Wein rankt sich an Häuserfassaden hoch. Andere wiederum sind etwas puristischer, mit großen Rasenflächen.
Alle, die ich sehen konnte, haben jedoch einige Gemeinsamkeiten: Recht ordentlich gepflegt, mit viel altem Baumbestand oder großen Büschen. Man gelangt entweder durch ein niedriges Gartentor oder – häufiger – durch ein hohes Haustor mit anschließendem dunklen Gang hinein. In der Regel gibt es wohlgeordnete „Parkplätze“ für Fahrräder und Mülleimer (wenn diese dort und nicht im Keller bzw. anderen Gemeinschaftsräumen untergebracht sind).
In der Bildergalerie einige Foto-Impressionen (aus August/September 2012), von denen ich hoffe, dass sie für ein paar an- und beschauliche Momente ausreichen. Stellen Sie sich einen sonnigen Tag vor, im häuserumkränzten kleinen Grünen mitten in der Stadt, beim Plaudern und Grillen mit den Nachbarn oder einfach nur auf einem Bänkchen sitzend mit einem altmodischen Papierbuch oder einem neuzeitlichen Tablet.
Geht alles im Berliner Hinterhof-Milljöh anno 2012 – einfach großartig!
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Berlin-Chansons
Publiziert 30.10.2012 14:58 | Kommentare: 0
http://www.youtube.com/watch?v=Zq6vz8GHx-4
Marlene Dietrich Das ist Berlin 1964
Die Stadt Berlin hat mancher schon besungen,
der längst heute liegt tief unter grünem Gras.
Für uns sind das bloß noch Erinnerungen,
als ob uns Muttern was aus Märchen las.
Der eine liebt sie, andre wieder lästern.
Manches verging, was einstmals Staub gemacht.
Doch manches ist noch heute so, wie gestern.
Das ist Berlin, wie's weint, und wie es lacht.
Berlin, Berlin, Du bist ein heißes Pflaster,
wer Dich nicht kennt, verbrüht sich leicht den Fuß.
Wo die Moral wohnt, wohnt auch gleich das Laster
Und der Verriss blüht neben süßem Schmus.
Berlin, Berlin, hier lebt der Mensch gefährlich, und rutscht er aus, dann dreht sich keiner um.
Doch haut er hin - dann ist der Beifall ehrlich.
Berlin, Berlin, Du bist mein Publikum.
Berlin, Berlin, wenn deine Blumen sprießen, da draußen in der Laubenkolonie,
Sieht man Dich stehn und fleißig sie begießen
das Rosmarin und auch den Sellerie.
Fühlt Muttern ihre Lebenszeit verfließen, im Testament wird schnell noch angebracht:
Vergesst mir bloß nicht, Vatern zu begießen... Das ist Berlin, wie's weint, und wie es lacht, das ist Berlin, wie's weint, und wie es lacht.
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http://www.youtube.com/watch?v=B5vGWYJJDYU
Hildegard Knef Berlin, Dein Gesicht hat Sommersprossen 1966
Berlin, dein Gesicht hat Sommersprossen,
und dein Mund ist viel zu gross,
dein Silberblick ist unverdrossen,
doch nie sagst du: „Was mach' ich bloß?“
Berlin, du bist viel zu flach geraten
für die Schönheitskonkurrenz.
Doch wer liebt schon nach Metermaßen,
wenn du dich zu ihm bekennst?
Berlin, du bist die Frau mit der Schürze,
an der wir unser Leben lang ziehn.
Berlin, du gibst dem Taufschein die Würze,
und hast uns den „Na und“ als Rettungsring verliehn.
Berlin, deine Stirn hat Dackelfalten,
doch was wärst du ohne sie?
Wer hat dich bloß so jung gehalten,
denn zum Schlafen kommst du nie.
Berlin, mein Gemüt kriegt Kinderaugen,
und mein Puls geht viel zu schnell,
nimmst du mich voller Selbstvertrauen
an dein verknautschtes Bärenfell.
Berlin, dein Gesicht hat Sommersprossen,
und dein Mund ist viel zu gross,
dein Silberblick ist unverdrossen,
doch nie sagst du: „Was mach' ich bloß?“
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Wenn ich einmal Hund wär'...
Publiziert 05.09.2012 23:43 | Kommentare: 0 | zuletzt bearbeitet 05.09.2012 23:52
... dann würde ich mir, wenn schon nicht auf dem Lande, wahrscheinlich gern Friedrichshain als Revier auswählen. Es gibt dort eindeutige Vorteile. Viele Hunde-Kollegen, große und kleine. Jede Menge Grünflächen, auf denen ich toben kann, meist nur winzige, dafür aber an jeder neuen Ecke. Kinder, die mich liebevoll streicheln, ebenso wie andere nette Menschen. Es ist, insgesamt betrachtet, ein zugleich spannendes und kommodes Hundeleben.
Wobei ich dazu sagen muss, dass ich auch aus Hundesicht großes Verständnis für Leute habe, die Hunde in der Großstadt per se nicht allzu sehr schätzen. Das liegt vermutlich vor allen Dingen an unseren Liegenschaften – pardon, unseren Hinterlassenschaften. Diese als „Tretminen“ zu bezeichnen, halte ich zwar für etwas übertrieben – schließlich sind wir keine Terroristen –, aber dass Menschen überhaupt nicht mögen, dort hineinzutreten, habe ich zweifelsfrei gemerkt. Wahrscheinlich ist der Duft für sie ähnlich schrecklich wie für mich eine penetrante Wolke D & G-Parfüm.
Aber, aber, alle bitte mal ganz ruhig bleiben. Wir Hunde sind schließlich lernfähig. Und Menschen sollen auch nicht leben wie ein Hund. Deshalb haben wir einen canishumanen Konsens getroffen, der das Zusammenleben viel angenehmer macht, und der da heißt: doggybag. Nein, ich meine hier nicht die Tüte mit den Resten vom Pizzahut, sondern die kleinen, meist schwarzen Plastikbeutelchen, in denen unsere ... na ja, Sie wissen schon, sofort verschwinden, sobald sie auf dem Boden gelandet sind. Ich trage sie immer am Halsband mit mir rum. Manche lassen auch Herrchen oder Frauchen die Beutel in ihren Taschen apportieren. Na ja, ist Geschmackssache – jedem Tierchen sein Pläsierchen. Hauptsache, weg.
Trotz all unserer hundehaften Bemühungen gibt es natürlich auch Menschen, die vor mir und meinen Artgenossen Angst haben. Müssen sie aber nicht, denn ich habe beobachtet, dass meine händelsüchtigeren Kollegen konsequent an der kurzen Leine gehalten werden. Was mir zeigt, dass in Friedrichshain ganz vernünftige und soziable Hundehalter wohnen. Also, keine Angst vorm bösen Hund. Ich selbst bin übrigens ganz lieb. Vielleicht beschnuppern wir uns ja mal auf der Weberwiese, wo ich gern mit Herrchen spiele, oder am Boxi, wo ich gern mit Frauchen über den Markt bummele. Wuff!
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Kürbiskernöl im Irgendwo
Publiziert 31.08.2012 14:35 | Kommentare: 0 | zuletzt bearbeitet 31.08.2012 15:07
Gerade habe ich einen Salat gegessen, mit Kürbiskernöl. Das Öl war vollmundig, mild, ganz ohne kratzige Beinoten. Ein echter Verführer, der Nase und Geschmacksknospen schmeichelt und es sogar schafft, das Hirn ein bisschen einzulullen. Nimm mich, nimm mich und immer wieder...
Ja, liebes Kübiskernöl, das würde ich sehr gerne, wenn ich denn wüsste, wo ich dich wiederfinde. Kaum habe ich von dir gekostet, bis du mir schon wieder entfleucht...
Natürlich bin ich selber schuld daran. Es war einer dieser Tage, an denen ich meinte, wieder einmal das GPS im Handy besiegen zu müssen. Und das alternde Gedächtnis zu trainieren, indem ich mir nichts aufschreibe. Mutig, aber doof: So was rächt sich gelegentlich, denn ich habe keineswegs den Ortungssinn einer Fledermaus. Eher das Gegenteil.
Ich gehe also GPS- und notizblockbefreit durch die netten Straßen rund um den Traveplatz, kreuz und quer, quer und kreuz, schaue mir das eine oder andere Gebäude genauer an, plaudere mal hier und mal dort (Friedrichshainer Alt- und Neubürger sind sehr kommunikativ) und all das solange, bis der kleine Hunger kommt. Oder eigentlich eher der große.
Es ist Mittagszeit, und just stehe ich vor einem kleinen Lokal, draußen eine handbeschriebene Tafel: Gebratene Maultaschen, Tafelspitz am Spieß mit Topfen-Kräutercreme, Tofu im Filo-Teig, Ratatouille-Turm... Klingt alles vielversprechend, und ich trete ein. Wirklich winzig, das Teil: ein Getränke-Kühlschrank mit einem gläser-, besteck- und serviettenbestücktem Regalbrett daneben, eine Mini-Bar mit drei Hockern, drei etwas wackelige Tischchen, zwei davon besetzt.
Ich setze mich an das noch freie Tischchen, muss aber gleich wieder aufstehen, weil jemand aus der halboffenen, ebenso winzigen Küche ruft: „Getränke und Besteck selber nehmen!“ Okay, das schaffe ich noch. Ein junger Mann kommt aus der Küche und fragt mich nach meinen Essenswünschen. Ich wähle die Maultaschen mit Gemüse-Dip und Salat und hoffe aufgrund des lächerlichen Preises von 5,50 Euro inständig, dass sie nicht aus der Dose kommen mögen. Tun sie nicht, es ist schmeckbar alles hausgemacht, auch die Beilagen. Der Salat ist knackfrisch und mit einem hervorragenden Kürbiskernöl angemacht: No convenience, scheint hier die Haus-Regel zu sein. Ich lobe das Essen, und der vorher etwas ernste junge Mann taut auf.
Im Laufe des Gesprächs wird er immer strahlender und goutiert offensichtlich das Interesse an seiner Person und seiner Tätigkeit ebenso wie ich vorher sein Essen. Er ist also, so stellt sich heraus, Allein-Gastromiebetreiber. Ein Solist, der sich kreativ verwirklichen möchte. Vorher habe er in Berlin als Koch in der Küche eines Fünf-Sterne-Hotels gearbeitet; dies sei aber viel besser. Kann er denn davon leben? „Für mich reicht’s, ich brauche nicht viel“, grinst er fröhlich.
Kommst du denn aus Österreich, frage ich wegen der leicht k u. k-inspirierten Küche. Ja, aus der Steiermark. Ach, daher das tolle Kürbiskernöl. Der junge Mann zeigt auf eine Reihe Fläschchen auf dem Kassentresen. „Kommt aus der familieneigenen Manufaktur in der Nähe von Graz. Kannst du auch mitnehmen, 8 Euro das Stück“.
Weil ich nach dem leckeren Essen in Dolce-Vita-Laune bin samt altruistischer Großzügigkeit, kaufe ich ihm gleich ein ganzes Quartett seines Kürbiskernöls ab. Alle ohne Etikett, aber mit liebevollen Stoffmützen mit Pünktchen-, Streifen- oder Vichykaro-Dekor, von einer Kordel gehalten. So wie meine Oma früher die selbst eingemachten Marmeladengläser dekorierte.
Ich verspreche dem jungen Mann, wiederzukommen, und möchte das auch unbedingt. Nur leider habe ich bei meinen bisherigen Berlin-Besuchen das Lokal noch nicht wiedergefunden. Ich werde alle Straßen rund um den Traveplatz noch mal abgehen. Vielleicht war es aber auch mehr am Wismarplatz.
Lost in Friedrichshain: Ich ärgere mich, dass ich mir nichts notiert habe. Falls einer von Ihnen, liebe Mitgesellschafter, irgendwann – etwa bei einer Besichtigung der eigenen Berlin-Immobilie – im Friedrichshainer Südkiez (da war es bestimmt!) auf ein österreichisch-mediterran-asiatisches Miniaturrestaurant mit hervorragendem Kürbiskernöl stoßen sollte – Nachricht mit Adresse erwünscht!
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Ein Leben ohne F...
Publiziert 29.08.2012 00:08 | Kommentare: 0
Bin hundemüde und stecke in einem Kreatief. Deshalb heute nur ein Tweet, frei nach Loriot:
Ein Leben ohne Friedrichshain ist möglich, aber sinnlos.
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Wie ich die Petersburger Straße lieben lernte – 1. Akt
Publiziert 28.08.2012 01:19 | Kommentare: 0 | zuletzt bearbeitet 31.08.2012 14:27
Gesten habe ich erzählt, dass ich mich auf den ersten Blick in Friedrichshain verliebt habe. Stimmt auch. Ich hatte allerdings vorher keinesfalls mit einem romantischen Kennenlernen gerechnet. Eher mit einem Hardcore-Entrée, unter erschwerten Umständen. Ich musste nämlich in die Petersburger Straße...
Freitag, 13.07.2012, 6.20 Uhr, ICE Hamburg-Berlin: Seit knapp 30 Minuten sitze ich im Zug via Berlin. Hundemüde, möchte eigentlich noch ein bisschen schlafen, doch ein Gedanke lässt mir keine Ruhe: Warum, um Gotteswillen, hat meine Familiy ausgerechnet in der Petersburger Straße Wohnungsoptionen? Na ja, wie sie mir sagten, hatten sie gar nicht auf die Lagen geachtet und den Vertriebler machen lassen.
Petersburger Straße: lang, breit, Straßenbahn in der Mitte, abseits des trendigen Friedrichshainer Südkiezes – der Blick auf Stadtkarte und Streetview verhieß jedenfalls nichts Gutes, und so starre ich ein bisschen trübsinnig auf das junge Mädchen mir gegenüber. Hübsch, gepflegt, adrett angezogen, Piercing an der Unterlippe. Das Piercing sieht auch adrett aus.
Sie tippt auf ihrem Smartphone rum, merkt, dass ich sie angucke und lächelt. Der Getränkewagen ist gerade da, wir nehmen beide einen Kaffee und kommen ins Gespräch. Das Mädchen ist Berlinerin, seit Generationen (seltene Spezies!), war in HH zu Besuch bei einer Freundin, muss aber heute jobben und deshalb zu so früher Morgenstunde zurück. Wo wohnen Sie denn in Berlin, frage ich. Warschauer Straße, Großeltern in Steglitz, Eltern in Kreuzberg. Aha, Warschauer Straße, ist doch die Verlängerung der Petersburger Straße. Nicht zu laut da? Nö, stört mich nicht. Ob sie denn nicht lieber woanders wohnen wolle, wie wär’s mit Charlottenburg, Wilmersdorf?
Wat, zu den Wilmersdorfer Witwen? Ich höre den Ton heraus und halte lieber meinen Mund. Wohlgemerkt, ich mag Wilmersdorf. Die schönen alten Fassaden, die großen Eingangsportale, die marmor-und stuckgeschmückten Treppenhäuser mit den überdimensionierten Spiegeln und den alten Eisen-Fahrstühlen. Da sterb’ ick doch gleich mit ab, sagt die fröhliche Mädchenstimme. Das ist auch ein Argument, denke ich.
Als wir am Berliner Hauptbahnhof ankommen, sind wir per Du und haben Telefonnummern ausgetauscht. Anderthalb Stunden ICE können verbinden. Küsschen links, Küsschen rechts, und meine neue kleine Freundin eilt gen Ausgang, wo ihr Lover sie abholt. Dreht sich nach ein paar Schritten nochmal um und winkt mir zu: Wenn du nichts zum Übernachten hast, kannst bei mir pennen...
Wie süß! Ich bin jetzt wach und gut gelaunt. Das steckt auch den Taxifahrer an, der zwar eindeutig nicht aus einer Urberliner Familie stammt, sondern eher anatolische Wurzeln hat, aber dennoch die typische Berliner Schnoddrigkeit perfekt adaptiert hat. Er erzählt mir stolz, dass sein Sohn studiert und, weil wir gerade da hinfahren, in Friedrichshain eine Wohnung sucht. Schon lange. Schwer zu bekommen. Stehen oft Schlangen bis auf die Straße, wenn eine Wohnung frei wird. Würde der Sohn denn auch in die Petersburger Straße ziehen? Klar doch, gibt dort nette Wohnungen und ist ein Katzensprung mit dem Fahrrad in die Szene. Ich bin skeptisch, wir sind jetzt auf der Petersburger. Viel Verkehr. Der Himmel ist grau. Uncharmant.
8.10 Uhr, Petersburger Straße/Ecke Mühsamstraße: Das Taxi hält, allerdings auf der falschen Seite, der Fondsimmobilie gegenüber gelegen. Das weiß ich aber noch nicht. Ich steige aus und blicke in einen kleinen Park. Na ja, eine Miniaturausgabe von einem Park, eher eine klitzekleine Grünfläche mit ein paar Rosenbeeten und Bänken, umrahmt von Bäumen und hohen Büschen. Ich gehe drei Schritte und trete durch das von blühenden Rosen umrankte Portal.
Der Verkehr ist weit weg. Vogelgezwitscher, einige Spatzen balgen sich auf dem Boden. Die Rosen verströmen in der feuchten Luft einen betörenden Duft. Großstadt-Idylle. Das ist mein erster Blick auf Friedrichshain.
Fortsetzung folgt...
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Von der Due Diligence zum Friedrichshain
Publiziert 26.08.2012 20:47 | Kommentare: 0 | zuletzt bearbeitet 31.08.2012 14:26
Ich war schon mal in New York. Aber ich war noch niemals in Timbuktu, noch niemals auf Hawai – und noch niemals in Berlin-Friedrichshain. Bis vor kurzem jedenfalls. Noch vor acht Wochen war Berlin-Friedrichshain für mich in gewisser Weise wie Timbuktu. Geographisch viel näher, aber doch ganz weit weg, von meinem Kopf, meinem Herzen und überhaupt. Zwischendurch, klar, hatte ich ein bisschen darüber gelesen und aufgeschnappt: Da geht was ab. Aber es war mir halt so fern wie Herrn Rösler eine bacchantische Orgie sein mag...
Der Westen Berlins war mir recht vertraut, hatte ich doch in Vorwendezeiten schon mal anderthalb Jahre in Charlottenburg gelebt und gearbeitet. Von Ost-Berlin kannte ich damals wenig, fuhr ab und an sonntags mit der S-Bahn vom Savignyplatz zum Bahnhof Friedrichstraße, jedesmal mit ein bisschen Bammel vor den vielen Grenzern und Vopos, die einen dort in Empfang nahmen. Dann ging ich ein bisschen auf und ab, mal zum Alexanderplatz oder woanders hin, sah mit Grausen die diarrhoe-grau-braunen Häuser und fuhr irgendwie deprimiert wieder nach Hause in die westliche Mommsenstraße. Ich war niemals in Berlin-Friedrichshain gewesen.
Szenenwechsel, Jahre später. Berlin in den 90ern. Ick war baff: Ost-Berlin, wie hast du dir verändert, wie hast du dir jemausert! Das historische Zentrum elegant, schicker, am schicksten. Am Prenzelberg steppte ich unzählige Male mit dem Bären. Ich eroberte mir ganz unbekannte Kieze. Ich war jedoch immer noch nicht in Berlin-Friedrichshain gewesen.
Szenenwechsel, 1.Juli 2012: Bruder und Mutter eröffnen mir, dass sie vor vielen Jahren in Berliner Immobilienfonds investiert hätten. Nun stünden in Kürze wichtige Entscheidungen bevor. Ob ich mich darum kümmern könnte? Ausgestattet mit Vollmachten und einem dicken Aktenordner-Stapel versuchte ich, mich in die Materie einzuarbeiten. In tage- und nächtelanger Kleinarbeit wühlte ich mich also durch Bilanzen, Zahlen, Protokolle und Due Diligence-Verfahren, durchs Netzinfos und -portale. Es gab Anhaltspunkte für die bevorstehenden Entscheidungen, doch nichts brachte mich wirklich weiter.
Ich musste wenigstens einen kurzen Real-Blick in dieses unbekannte Terrain werfen. So stand ich denn am Tag der Außerordentlichen Gesellschafterversammlung, am 13.07.2012, um 8 Uhr morgens bei grauem Himmel und Nieselregen in Berlin-Friedrichshain.
Und verliebte mich auf den ersten Blick. In einen Stadtteil einer Großstadt. Ein ehemaliges Arbeiter-Viertel, das heute bunt und facettenreich ist, mit vielen Mikro-Kosmen. Zwischenzeitlich bin ich noch ein paarmal in Berlin gewesen. Um genauer zu sein: fast ausschließlich in Berlin-Friedrichshain. Der Coup de Foudre wandelt sich allmählich zum wärmenden Öfchen, jedesmal ein bisschen vertrauter. Weit weg von Due Diligence-Analysen, ja. Aber für mich mindestens ebenso aufschlussreich.
Wie ich bei der Beschlussfassung im Namen meiner Familie votiert habe? Ich glaube, Sie können es sich denken...
Auch wenn meine Impressionen flüchtig sein mögen, natürlich komplett subjektiv und persönlich: Ich möchte Sie gerne daran teilhaben lassen. Vielleicht hilft es ja dem einen oder anderen, ein Gefühl für „seine“ Immobilie zu entwickeln.
Demnächst also hier, in loser Folge, „Geschichten aus meinem Friedrichshain“.
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