Forums-Blog - Wie ich die Petersburger Straße lieben lernte – 1. Akt

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Wie ich die Petersburger Straße lieben lernte – 1. Akt

Wie ich die Petersburger Straße lieben lernte – 1. Akt

28.08.2012 01:19

Gesten habe ich erzählt, dass ich mich auf den ersten Blick in Friedrichshain verliebt habe. Stimmt auch. Ich hatte allerdings vorher keinesfalls mit einem romantischen Kennenlernen gerechnet. Eher mit einem Hardcore-Entrée, unter erschwerten Umständen. Ich musste nämlich in die Petersburger Straße...

Freitag, 13.07.2012, 6.20 Uhr, ICE Hamburg-Berlin: Seit knapp 30 Minuten sitze ich im Zug via Berlin. Hundemüde, möchte eigentlich noch ein bisschen schlafen, doch ein Gedanke lässt mir keine Ruhe: Warum, um Gotteswillen, hat meine Familiy ausgerechnet in der Petersburger Straße Wohnungsoptionen? Na ja, wie sie mir sagten, hatten sie gar nicht auf die Lagen geachtet und den Vertriebler machen lassen.

Petersburger Straße: lang, breit, Straßenbahn in der Mitte, abseits des trendigen Friedrichshainer Südkiezes – der Blick auf Stadtkarte und Streetview verhieß jedenfalls nichts Gutes, und so starre ich ein bisschen trübsinnig auf das junge Mädchen mir gegenüber. Hübsch, gepflegt, adrett angezogen, Piercing an der Unterlippe. Das Piercing sieht auch adrett aus.

Sie tippt auf ihrem Smartphone rum, merkt, dass ich sie angucke und lächelt. Der Getränkewagen ist gerade da, wir nehmen beide einen Kaffee und kommen ins Gespräch. Das Mädchen ist Berlinerin, seit Generationen (seltene Spezies!), war in HH zu Besuch bei einer Freundin, muss aber heute jobben und deshalb zu so früher Morgenstunde zurück. Wo wohnen Sie denn in Berlin, frage ich. Warschauer Straße, Großeltern in Steglitz, Eltern in Kreuzberg. Aha, Warschauer Straße, ist doch die Verlängerung der Petersburger Straße. Nicht zu laut da? Nö, stört mich nicht. Ob sie denn nicht lieber woanders wohnen wolle, wie wär’s mit Charlottenburg, Wilmersdorf?

Wat, zu den Wilmersdorfer Witwen? Ich höre den Ton heraus und halte lieber meinen Mund. Wohlgemerkt, ich mag Wilmersdorf. Die schönen alten Fassaden, die großen Eingangsportale, die marmor-und stuckgeschmückten Treppenhäuser mit den überdimensionierten Spiegeln und den alten Eisen-Fahrstühlen. Da sterb’ ick doch gleich mit ab, sagt die fröhliche Mädchenstimme. Das ist auch ein Argument, denke ich.

Als wir am Berliner Hauptbahnhof ankommen, sind wir per Du und haben Telefonnummern ausgetauscht. Anderthalb Stunden ICE können verbinden. Küsschen links, Küsschen rechts, und meine neue kleine Freundin eilt gen Ausgang, wo ihr Lover sie abholt. Dreht sich nach ein paar Schritten nochmal um und winkt mir zu: Wenn du nichts zum Übernachten hast, kannst bei mir pennen...

Wie süß! Ich bin jetzt wach und gut gelaunt. Das steckt auch den Taxifahrer an, der zwar eindeutig nicht aus einer Urberliner Familie stammt, sondern eher anatolische Wurzeln hat, aber dennoch die typische Berliner Schnoddrigkeit perfekt adaptiert hat. Er erzählt mir stolz, dass sein Sohn studiert und, weil wir gerade da hinfahren, in Friedrichshain eine Wohnung sucht. Schon lange. Schwer zu bekommen. Stehen oft Schlangen bis auf die Straße, wenn eine Wohnung frei wird. Würde der Sohn denn auch in die Petersburger Straße ziehen? Klar doch, gibt dort nette Wohnungen und ist ein Katzensprung mit dem Fahrrad in die Szene. Ich bin skeptisch, wir sind jetzt auf der Petersburger. Viel Verkehr. Der Himmel ist grau. Uncharmant.

8.10 Uhr, Petersburger Straße/Ecke Mühsamstraße: Das Taxi hält, allerdings auf der falschen Seite, der Fondsimmobilie gegenüber gelegen. Das weiß ich aber noch nicht. Ich steige aus und blicke in einen kleinen Park. Na ja, eine Miniaturausgabe von einem Park, eher eine klitzekleine Grünfläche mit ein paar Rosenbeeten und Bänken, umrahmt von Bäumen und hohen Büschen. Ich gehe drei Schritte und trete durch das von blühenden Rosen umrankte Portal.

Der Verkehr ist weit weg. Vogelgezwitscher, einige Spatzen balgen sich auf dem Boden. Die Rosen verströmen in der feuchten Luft einen betörenden Duft. Großstadt-Idylle. Das ist mein erster Blick auf Friedrichshain.

Fortsetzung folgt...


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