Forums-Blog - Kürbiskernöl im Irgendwo
Kürbiskernöl im Irgendwo

Kürbiskernöl im Irgendwo

31.08.2012 14:35

Gerade habe ich einen Salat gegessen, mit Kürbiskernöl. Das Öl war vollmundig, mild, ganz ohne kratzige Beinoten. Ein echter Verführer, der Nase und Geschmacksknospen schmeichelt und es sogar schafft, das Hirn ein bisschen einzulullen. Nimm mich, nimm mich und immer wieder...

Ja, liebes Kübiskernöl, das würde ich sehr gerne, wenn ich denn wüsste, wo ich dich wiederfinde. Kaum habe ich von dir gekostet, bis du mir schon wieder entfleucht...

Natürlich bin ich selber schuld daran. Es war einer dieser Tage, an denen ich meinte, wieder einmal das GPS im Handy besiegen zu müssen. Und das alternde Gedächtnis zu trainieren, indem ich mir nichts aufschreibe. Mutig, aber doof: So was rächt sich gelegentlich, denn ich habe keineswegs den Ortungssinn einer Fledermaus. Eher das Gegenteil.

Ich gehe also GPS- und notizblockbefreit durch die netten Straßen rund um den Traveplatz, kreuz und quer, quer und kreuz, schaue mir das eine oder andere Gebäude genauer an, plaudere mal hier und mal dort (Friedrichshainer Alt- und Neubürger sind sehr kommunikativ) und all das solange, bis der kleine Hunger kommt. Oder eigentlich eher der große.

Es ist Mittagszeit, und just stehe ich vor einem kleinen Lokal, draußen eine handbeschriebene Tafel: Gebratene Maultaschen, Tafelspitz am Spieß mit Topfen-Kräutercreme, Tofu im Filo-Teig, Ratatouille-Turm... Klingt alles vielversprechend, und ich trete ein. Wirklich winzig, das Teil: ein Getränke-Kühlschrank mit einem gläser-, besteck- und serviettenbestücktem Regalbrett daneben, eine Mini-Bar mit drei Hockern, drei etwas wackelige Tischchen, zwei davon besetzt.

Ich setze mich an das noch freie Tischchen, muss aber gleich wieder aufstehen, weil jemand aus der halboffenen, ebenso winzigen Küche ruft: „Getränke und Besteck selber nehmen!“ Okay, das schaffe ich noch. Ein junger Mann kommt aus der Küche und fragt mich nach meinen Essenswünschen. Ich wähle die Maultaschen mit Gemüse-Dip und Salat und hoffe aufgrund des lächerlichen Preises von 5,50 Euro inständig, dass sie nicht aus der Dose kommen mögen. Tun sie nicht, es ist schmeckbar alles hausgemacht, auch die Beilagen. Der Salat ist knackfrisch und mit einem hervorragenden Kürbiskernöl angemacht: No convenience, scheint hier die Haus-Regel zu sein. Ich lobe das Essen, und der vorher etwas ernste junge Mann taut auf.

Im Laufe des Gesprächs wird er immer strahlender und goutiert offensichtlich das Interesse an seiner Person und seiner Tätigkeit ebenso wie ich vorher sein Essen. Er ist also, so stellt sich heraus, Allein-Gastromiebetreiber. Ein Solist, der sich kreativ verwirklichen möchte. Vorher habe er in Berlin als Koch in der Küche eines Fünf-Sterne-Hotels gearbeitet; dies sei aber viel besser. Kann er denn davon leben? „Für mich reicht’s, ich brauche nicht viel“, grinst er fröhlich.

Kommst du denn aus Österreich, frage ich wegen der leicht k u. k-inspirierten Küche. Ja, aus der Steiermark. Ach, daher das tolle Kürbiskernöl. Der junge Mann zeigt auf eine Reihe Fläschchen auf dem Kassentresen. „Kommt aus der familieneigenen Manufaktur in der Nähe von Graz. Kannst du auch mitnehmen, 8 Euro das Stück“.

Weil ich nach dem leckeren Essen in Dolce-Vita-Laune bin samt altruistischer Großzügigkeit, kaufe ich ihm gleich ein ganzes Quartett seines Kürbiskernöls ab. Alle ohne Etikett, aber mit liebevollen Stoffmützen mit Pünktchen-, Streifen- oder Vichykaro-Dekor, von einer Kordel gehalten. So wie meine Oma früher die selbst eingemachten Marmeladengläser dekorierte.

Ich verspreche dem jungen Mann, wiederzukommen, und möchte das auch unbedingt. Nur leider habe ich bei meinen bisherigen Berlin-Besuchen das Lokal noch nicht wiedergefunden. Ich werde alle Straßen rund um den Traveplatz noch mal abgehen. Vielleicht war es aber auch mehr am Wismarplatz.

Lost in Friedrichshain: Ich ärgere mich, dass ich mir nichts notiert habe. Falls einer von Ihnen, liebe Mitgesellschafter, irgendwann – etwa bei einer Besichtigung der eigenen Berlin-Immobilie – im Friedrichshainer Südkiez (da war es bestimmt!) auf ein österreichisch-mediterran-asiatisches Miniaturrestaurant mit hervorragendem Kürbiskernöl stoßen sollte – Nachricht mit Adresse erwünscht!


Melden Sie sich an, um die Kommentarfunktion zu nutzen
Alle Beiträge der Administratoren sind urheberrechtlich geschützt. copyright by Optima-Group in 2012


Xobor Xobor Blogs
Datenschutz